Was können wir von Goethe lernen?

Teil 1: Schöner Alltag

„Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören,

ein gutes Gedicht lesen,

ein treffliches Gemälde sehen und

wenn es möglich zu machen wäre,

einige vernünftige Worte sprechen.“

– Johann Wolfgang von Goethe

Zitat aus „Die Möwe“ von Anton Tschechow.

Für diejenigen, die an ihre Berufung glauben und nicht darauf verzichten.

„Ich weiß jetzt, Kostja, ich begreife, in unserem Beruf – gleichgültig ob wir Theater machen oder schreiben – ist das Wichtigste nicht Ruhm, nicht Glanz, nicht das, wovon ich geträumt habe, sondern die Fähigkeit zu leiden. Trage dein Kreuz und glaube. Ich glaube, und alles ist nicht mehr so schwer. Wenn ich an meine Berufung denke, habe ich keine Angst mehr vor dem Leben.“ (S. 96 aus der Reclam-Ausgabe)

Im Nationaltheater Mannheim ist „Die Möwe“ zur Zeit zu sehen.

Link: https://www.nationaltheater-mannheim.de/de/schauspiel/stueck_details.php?SID=3506

Zum Glück kann man in Badenweile (DE) „das einzige Museum für den russischen Schriftsteller und Dramatiker der Weltliteratur, Anton Pawlowitsch Tschechow in der westlichen Welt“ besuchen.

Link: https://www.badenweiler.de/Media/Attraktionen/Literarisches-Museum-Tschechow-Salon

Xiang Slow Life im November

Jeden Monat gibt es schöne Dinge für uns zu entdecken und zu erleben, auch in der kalten Jahreszeit. Ich freue mich besonders über die folgenden schönen Dinge.

1. Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim: Inspiration Matisse https://www.kuma.art/de/inspiration-matisse

2. Schwetzinger Schloss: Gingo Blätter

Der November ist die beste Jahreszeit, um im Schwetzinger Schloss den farbenfrohen Herbst zu erleben, besonders den „Teppich“ aus den Gingoblättern.

3. Film: Official Secrets mit Keira Knightley

4. Hörbuch: Stille von Erling Kagge & Wolfgang Berger

5. Musik: Seven Days Walking von Ludovico Einaudi

Interview mit der Illustratorin Du Wei Nian

Seit wann hast du das Malen für dich entdeckt?
Welche Einflüsse hat es auf dein Leben?

Als ich klein war, stotterte ich ein bisschen. Daher vermied ich es, mit Menschen face-to-face zu kommunizieren. Damals merkte ich, dass ich alleine viel Spaß beim Malen hatte, ohne beredt sein zu müssen. Ich habe mich beim Malen sehr entspannt und wohl gefühlt.

In deinem Blog hast du schon mal geschrieben, dass leicht in der Brise wehende Vorhänge im Sommer dir gut gefallen. Kann man deine Werke so beschreiben, dass sie wie leicht in der Brise wehende Vorhänge im Sommer wirken?

Ich denke, der so genannte Malstil wird vom Betrachter gefühlsmäßig definiert. Maler selbst machen sich beim Malen wahrscheinlich nicht viele Gedanken darüber. Das Gefühl beim Malen soll reine Darstellung der Selbsterkenntnis sein. „Leicht in der Brise wehende Vorhänge“ sind wie ein schöner alltäglicher Augenblick für mich.
Ich möchte diesen ebenfalls durch meine Malerei darstellen.

Welches ist dein Lieblingswerk und warum?

Das Coverbild meines ersten Buches, „Sehnsucht nach tiefen Umarmungen“, ist bisher mein Lieblingswerk. Ich habe ein Foto von meinem Mann und mir als Vorlage für den Entwurf benutzt. Wir haben damals beim Knipsen miteinander Quatsch gemacht und viel gelacht. Dann haben wir uns sehr eng umarmt. Er hatte das oft angezogene karierte Hemd an. Ich hatte ein Kleid mit Punkten an. Muster mit Punkten mag ich sehr gerne.
Ich habe all die vertrauten Gefühle und Eindrücke von dem Moment in diesem Bild dargestellt. Das Original steht genau gegenüber von meinem Schreibtisch, so dass ich es sehen kann sobald ich meinen Kopf hebe.

Woher bekommst du deine Inspiration?

Musik, Gemäldeausstellungen, Gespräche mit Freunden und aus Kleinigkeiten des einfachen Lebens.

Wann und wo malst du am liebsten und warum?

Ich bin daran gewöhnt, tagsüber zu malen. Es ist heller und besser um Farben exakter zu mischen. Am liebsten male ich am Schreibtisch, wenn es plötzlich regnet. Ich kann dabei die kühler und nasser werdende Luft fühlen. Draußen höre ich den Regen, drinnen höre ich Radio und male. Vorm Fenster sehe ich Fußgänger ohne Schirme eilen. In einem solchen Moment merke ich, dass ich meine Lieblingssache in der gemütlichsten Ecke der Welt tue.

Welche Illustratoren magst du?

Es gibt viele. Z.B. Kei Kobayashi, Lieke van der Vorst und Julia Sarda. Sie sind einfach fantastisch.

Was möchtest du den Lesern in deinen zwei Büchern „Sehnsucht nach tiefen Umarmungen“ und „Her Blue“ vermitteln? Gab es Anekdoten oder besondere berührende Momente während der Vorbereitung auf die zwei Bücher?
Waren die Vorbereitungsprozesse unterschiedlich?

Während meines Studiums machte ich mir schon Gedanken über „Sehnsucht nach tiefen Umarmungen“. Das Gefühl bei Umarmungen gefällt mir. Und zwar mit dem Geliebten, mit der Mutter und mit den Verwandten. Ein besonderer Moment auf der Beerdigung meines Onkels hat mich sehr stark berührt. Damals stand seine Frau neben mir. Ich wußte nicht, wie ich sie trösten sollte. Dann habe ich sie einfach umarmt. Das war meine erste Umarmung mit ihr. Ich war ein bisschen schüchtern. Als ich sie mit den Armen so festhielt, weinte sie laut und konnte ihre versteckte Stärke endlich loslassen.
Ich wusste, dass die Umarmung die Realität nicht ändern konnte. Aber in diesem Moment schaffte die Umarmung einen Raum für sie, die Trauer loszuwerden. All diese Erlebnisse haben mich motiviert, über das Thema Umarmung zu illustrieren.

Der Grund für das Buch „Her Blue“ ist ganz einfach. Die Farbe Blau gefällt mir sehr gut. Ich möchte durch Farben Geschichten erzählen und Emotionen ausdrücken. Verglichen mit meinem ersten Buch, fiel es mir beim Illustrieren des zweiten Buchs bedeutend leichter.

Was ist dein größter Traum?

Kurz vor dem Abschluss der Grundschule hat jeder ein Freundschaftsbuch gekauft, damit die Mitschüler ihre Kontaktdaten und Grußworte reinschreiben konnten. Ich kann mich daran erinnern, dass es in dem Buch die Frage „Was ist dein Traum?“ gab. Ich weiß noch genau, was ich damals geschrieben habe. Und zwar: „Ich möchte malen und meine eigenen illustrierten Bücher veröffentlichen“. Ich bin auf diesem Weg gegangen, da dies immer mein Traum gewesen ist, den ich bereits tief verinnerlicht hatte. Aber im Moment wünsche ich mir, dass meine Halswirbelsäule weniger Schmerzen hätte.

Was machst du zur Zeit? Steht das nächste Buch schon auf deinem Plan?
Würdest du mir vielleicht ein bisschen was vom Inhalt verraten?

Seitdem ich im Studio an der Universität arbeite, habe ich immer mit Aquarellfarben gemalt. Aktuell experimentiere ich mit wasserbasierten Farben hoher Deckkraft für mehr Schichten und Licht-Schatten-Effekte. Gleichzeitig möchte ich mehr realistische und visuelle Darstellungen integrieren. Die Motive haben mit dem Familienleben zu tun. Vielleicht aus dem Grund, dass ich ein Kind habe und mehr Details im Alltag beobachte.

Außerdem probiere ich mit Freunden, Wohnaccessoires zu entwerfen.
Ich habe auch schon einige Entwürfe skizziert. Ich möchte damit einfach neue Farben und Wohnerlebnisse hervorbringen.

Kastanienbaum

Kastanienbaum, mein Lieblingsbaum.

In jeder Jahreszeit offenbarst du deine Schönheit,

mit einer Palette von wechselnden Gewändern.

Im Frühling wachst du unauffällig auf,

mit frischgrünen Blättern deckst du den im Winter verhärteten Körper ab.

Wenn du mich fragst, ob ich weiß, was deine Lieblingssaison ist…

Aber natürlich. Du feierst den Frühling in höchster Feierstimmung.

Über Nacht hat sich dein grüner Morgenmantel in ein prachtvolles Festkleid verwandelt,

geschmückt mit weiß-rosa Blüten, wie Weihnachtskerzen.

Im Sommer streckst du dich mit jedem Blatt aus,

um uns vor der Hitze zu schützen.

Bei Sturm machst du mit Fußgängern dein Späßchen

und wirfst deine Früchte herab.

Da lachst du, mit deinem Kastanienregen.

Du wartest und wartest, bis der goldene Herbst dich grüßt.

Und dann schenkst du uns wieder deine köstlichen Kastanien.

100 TAGE PROJEKT – COFFEEFILTER MEETS INK – Vollendung

Mittlerweile habe ich das Projekt tatsächlich beendet. 100 Tage lang, egal ob ich krank oder auf einer Reise war, habe ich täglich ein Bildchen auf einen Kaffeefilter gemalt. Vor kurzem habe ich die Bildchen laminiert, damit ich sie besser bewahren kann. Als ich das einzelne Bild wieder vor Augen hatte, erinnerte ich mich an die kleinen schönen Momente in den letzten drei Monaten. Ich bin dankbar, dass diese Idee damals zu mir gekommen ist und mich motiviert hat, das Ganze ohne Sinn und Zweck zu Ende gebracht zu haben, einfach aus einer Vereinbarung mit mir selbst. Ich habe gelernt, die Kleinigkeiten im Alltag zu schätzen, bin achtsamer geworden, habe schöne chinesische Gedichte zu den Bildchen gefunden und bin gleichzeitig im Malen ein bisschen besser geworden. Das reicht.

Nimm das alltägliche Glück mit auf deine Reisen

Ich reise gerne, auch wenn es sich um eine Geschäftsreise handelt. Paradoxerweise vermisse ich doch ein bisschen den Alltag zu Hause, wenn ich davon weit entfernt bin.

Früher habe ich immer nur die allernötigsten Sachen in den Koffer eingepackt, hauptsächlich genug Kleidungsstücke.

Seitdem ich die chinesische Kalligraphie übe, gehört das -wie Zähneputzen- einfach zu meinem Alltag. Ich möchte nicht damit aufhören nur weil ich auf einer Reise bin. Wenn ich die Zahnbürste und Zahnpasta immer mitnehme, warum nicht den Pinsel und die Tinte ebenso. Allerdings machen diese Utensilien mich noch glücklicher. Auch mein 100-Tage-Projekt muss ich fortsetzen. Darüberhinaus habe ich gedacht, dann darf ich meine Lieblingsteekanne und -tasse auch nicht vernachlässigen. Am Ende habe ich mich entschlossen, ein paar alltägliche Schätze und weniger Kleidung mitzunehmen.

Hier ist meine Packliste.

Für die chinesische Kalligraphie: Pinsel, Tinte, Papiere, Vorlagen, Schälchen für Tinte und Wasserbehälter.

Zum Teetrinken: Chinesischer Grüntee und grüner Rooibostee, Teekanne, Tasse und Tablet.

Für das 100-Tage-Projekt: Rundfilterpapier, Pinsel und mein Namenstempel.

Außerdem habe ich mein Lieblingsstoffhündchen eingepackt, das mein Mann mir einmal geschenkt hat.

So habe ich einen Teil meines alltäglichen Glücks auf die Reise mitgenommen.

Die allererste Sache, die ich machte als ich im Hotel ankam, war die „Dekoration“ des Zimmers mit meinen persönlichen Dingen. Das Zimmer ist sofort gemütlicher geworden. Ich fühle mich nun ein bisschen wie zu Hause.

Am Abend mache ich mir dann eine Kanne Tee, male ein Bildchen für das Projekt and übe die Kalligraphie.Wenn ich ins Bett gehe, sehe ich das Hündchen am Betttisch wie ein Geselle.Somit macht die Reise mir noch mehr Freude, da ich ein Teilchen von zu Hause bei mir habe.

Strich für Strich: Meine tägliche Übung der chinesischen Kalligraphie

In meiner Schulzeit als ich in den Ferien bei meinem Opa war, legte er einen Pinsel, Tinte und ein großes Blatt Xuan-Papier auf den Tisch und ließ mich die Kalligraphie üben. Obwohl ich nicht verstand warum ich das machen sollte, merkte ich eine Besonderheit beim Schreiben mit einem Pinsel, etwas magisches. Meine beiden Opas praktizierten die Kalligraphie täglich. Der Stil ihrer Schriften war für mich wie Himmel und Erde. Der eine war wie ein fliegender Drache, abstrakt und fließend. Der andere war klar und fein. Ich schaute ihnen sehr gerne zu. Der Pinsel bewegte sich mit der Hand in der Luft wie fließendes Wasser, wie ein tanzender Zauberstab. Die Schriften waren keine Schriften mehr, sondern Gemälde.

Meine Verbindung mit der Kalligraphie ist leider irgendwann verloren gegangen, bis ich dieses Jahr während des chinesischen Neujahrsfests nach Hause flog. Mein Onkel hat mir ein Kalligraphie-Set in einer Schachtel geschenkt, die sogenannten „vier Schätze des Gelehrtenzimmers“ (Schreibpinsel, Tusche, Papier und Reibstein). Und er hat noch einen alten Pinsel von meinem Opa gefunden und ihn mir gegeben. Dann dachte ich, dass ich auch einen Pinsel von meinem anderen Opa als Andenken mitnehmen sollte. Als Papa sah, dass ich gut mit Werkzeugen für die Kalligraphie ausgestattet war, schenkte er mir zusätzlich noch einige Vorlagenbücher. So, mit einem Koffer voller Kalligraphie-Schätze, war ich wieder zurück nach Deutschland gekommen.

Ich weiß nicht, ob ich die Kalligraphie wiedergefunden habe oder umgekehrt. Allerdings wurde die Verbindung zwischen uns wieder hergestellt. Ich will nun mit Opas Pinsel die chinesische Kalligraphie erlernen. So habe ich mit der Siegelschrift (篆书) nach einer Vorlage von Deng Shiru (邓石如), einem Meister der Siegelschrif aus der Qing Dynastie, angefangen, und zwar täglich Strich für Strich. Egal wie spät es ist, schreibe ich täglich vier Zeichen. Wenn ich auf einer Reise bin, nehme ich das Set mit, damit ich überall die Kalligraphie üben kann. Langsam habe ich begonnen diese Besonderheit bzw. versteckte Magie der Kalligraphie zu entdecken, die ich als Kind nur spürte, aber nicht verstand.

Hier sind ein Paar Denkanstöße zur Übung der chinesischen Kalligraphie.

1. Die einfach aussehenden Dinge sind nicht unbedingt einfach zu erlernen, wie z.B. der horizontale und vertikale Strich mit hebendem Arm zu schreiben. Dafür benötigt man innere Ruhe, Geduld und Langsamkeit.

2. Manchmal führt Ziellosigkeit zum Ziel. Einfach weiter machen.

3. Kalligraphie zu üben ist meditativ, verlangsamt den Atem und spendet Energie.

4. Die chinesische Kalligraphie ist ein Schlüssel zur chinesischen Kultur und Lebensweise.

5. Lernen mit den großen Meistern der Geschichte ist ein guter Weg. Der Weg ist wie eine Zeitreise. Auf dem Weg teilen sie mir ihre Geschichten und Erfahrungen mit.

Ich bin dankbar, dass die Kalligraphie mich wieder gefunden hat. Ich habe noch einen langen Weg auf der Entdeckungsreise der chinesischen Kalligraphie vor mir. Aber ich habe keine Eile und werde weiterhin Strich für Strich diese Welt erkunden.